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Triebenergie, Charakterstruktur, Krankheit und Gesellschaft

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will den Versuch machen, den inneren Zusammenhang der Reichschen Forschungen in möglichst verständlicher Form herauszuarbeiten und deren Bedeutung für die emanzipatorische Bewegung zu diskutieren. Dieser Versuch ist schon deshalb nicht leicht, weil die Forschungen von Reich immer wieder die traditionellen Grenzen der wissenschaftlichen Disziplinen gesprengt haben. 

Die neuste Ausgabe ist beim Ulrich Leutner Verlag zu erhalten!
 

 

 

 


Die Forschungen Wilhelm Reichs (III): (1981)

Von Bernd Senf
   Vollständiger Artikel als PDF Datei (10 Seiten)  

Orgonenergie, Wetterbildung und Wetterbeeinflussung 

Die folgenden Ausführungen über Wilhelm Reichs Wetterexperimente werden nur verständlich aus dem Gesamtzusammenhang seines Forschungsprozesses. In emotion 1/1980 und emotion 2/1981 wurde bereits eine Einführung in die voran­gegangenen Arbeiten von Reich gegeben (*1). Ich will an dieser Stelle nur noch einmal stichwortartig einige Etappen dieses Forschungsprozesses benennen: 

I.   Von der Psychoanalyse zur Wetterforschung 

In seinen praktischen Erfahrungen als Psychotherapeut hatte Reich in den 20er Jahren den Zusammenhang zwischen Neurose und Stauung sexueller Energie aufgedeckt. Anfang der 30er Jahre untersuchte er vor allem die gesell­schaftliche Funktion der Triebunterdrückung und interpretierte sie als einen Mechanismus zur charakterstrukturellen Anpassung der Menschen an die äußeren Herrschaftsverhältnisse. Danach widmete er sich verstärkt der Frage nach dem Wesen der sexuellen Energie. Mit biophysikalischen Grundlagen­forschungen gelang ihm der Nachweis einer bis dahin unbekannten Energie, die er "Orgonenergie" nannte und als treibende Kraft aller Lebensprozesse und als bioenergetische Wurzel der Emotionen interpretierte. Das freie Strö­men und Pulsieren dieser Energie wird als Lust erlebt, die durch psychische und körperliche Panzerung hervorgerufene Stauung dieser Energie als Angst. Den unterschiedlichen Charakterstrukturen entsprechen unterschiedliche Strukturen der körperlichen Panzerung und damit der Stauung und destrukti­ven Umlenkung der biologischen Energie in psychische und psychosomatische Krankheiten ("Biopathien").

In seinen Experimenten zur Biogenese hat Reich nachgewiesen, dass bereits die kleinsten Einheiten des Lebendigen eine Einheit von stofflicher Substanz und treibender biologischer Energie sind. Lebendige Prozesse können demnach nicht nur auf der stofflichen Ebene (die allein von der herrschenden Medizin untersucht wird), sondern auch auf der Ebene ihres bioenergetischen Funktio­nierens gestört werden: durch eine Blockierung der bioenergetischen (und plasmatischen) Pulsation der Zellen bzw. einzelner Teile des Organismus. Das therapeutische Konzept von Reich bestand entsprechend in der Auflösung der Blockierungen und in der Wiederherstellung der natürlichen Selbstregulierung des Organismus. 

Ende der 30er Jahre entdeckte Reich, dass die Orgonenergie auch außerhalb le­bender Organismen existiert, in unterschiedlicher Konzentration den gesam­ten Raum ausfüllt und einer inneren Pulsation unterliegt. Mit dem "Orgon-Akkumulator" entwickelte er ein Gerät zur Akkumulation atmosphärischer Orgonenergie, das sich therapeutisch zur bioenergetischen Stärkung ge­schwächter Organismen verwenden ließ und mit dem erstaunliche Heilerfolge erzielt werden konnten. Ausgehend von der Hypothese, dass konzentrierte Orgonenergie auch zur Immunisierung gegenüber radioaktiver Strahlung einge­setzt werden könnte, untersuchte Reich 1951 die Wechselwirkung zwischen Orgonenergie und Radioaktivität (ORANUR-Experiment). Das Experiment nahm einen unerwartet dramatischen Verlauf: Bereits geringere Mengen ra­dioaktiver Strahlung wirkten zusammen mit hochkonzentrierter Orgonenergie in einer Weise, die die atmosphärische Orgonenergie der Umgebung in hoch­gradige Erregung versetzte und bei den Mitarbeiter(inne)n - je nach Struktur ihrer körperlichen Panzerungen - unterschiedliche, z. T. schwere Krankheitssymptome hervorrief (ORANUR-Krankheit).

Reich interpretierte diese Auswirkungen als Folge einer bioenergetischen Funktionsstörung der Organismen, verursacht durch eine Funktionsstörung der sie umgebenden Orgonenergie. Radioaktive Strahlung würde demnach die Lebensprozesse nicht nur auf der stofflichen Ebene angreifen, sondern auch auf der bioenergetischen Ebene, auf der es nach Reich keinen wirksamen Strahlenschutz geben kann, weil Orgonenergie alle Materie durchdringt. Die in ihrer natürlichen Pulsation erstarrte Orgonenergie bezeichnete Reich später als DOR (Deadly ORgone)-Energie. 

II.   Erstarrte atmosphärische Pulsation und Smog 

1.   Die Entdeckung der energetischen Erstarrung der Atmosphäre 

Etwa ein Jahr nach Beendigung des ORANUR-Experiments - 1952 - beobach­tete Reich und seine Mitarbeiter eine auffällige Veränderung der atmosphärisch-klimatischen Bedingungen in der ländlichen Umgebung seines Laboratoriums in Orgonon/Rangeley/Maine/USA, die den Aufenthalt in dieser Gegend immer unerträglicher machten. Reich beschreibt diese Verände­rungen wie folgt: 

„Stille und Öde breiten sich über die Landschaft, wobei das betroffene Gebiet von der nicht in Mitleidenschaft gezogenen Umgebung deutlich abgegrenzt ist. Die Stille drückt sich darin aus, dass alles Leben in der Atmosphäre zu sterben scheint. Die Vögel hören auf zu singen, die Frösche hören auf zu quaken. Man hört kein Geräusch des Lebens. Vögel fliegen tief und verstecken sich in den Bäumen. Die Tiere kriechen viel langsamer als sonst am Boden hin, und die Blätter und die grünen Nadeln der Bäume sehen sehr „traurig" aus; sie hängen herab und verlieren ihre innere Spannung und die Fähigkeit, sich wieder aufzurichten. Alles Leuchten und aller Glanz verschwindet von den Seen und aus der Luft. Die Bäume sehen schwarz aus, als ob sie abstürben. Man hat tatsäch­lich den Eindruck von Schwärze oder besser von Öde. Es ist nicht so, als ob etwas 'in die Landschaft hineingekommen wäre'. Es ist eher, als ob der Lebensfunke aus ihr ver­schwunden sei.“ (*2) 

Die Veränderung in der Atmosphäre stand in Zusammenhang mit dem Auftauchen von schwarzen „Wolken", die meist von Westen her aufzogen, sich über dem Gebiet von Orgonon festsetzten und sich immer mehr verdichteten. Reich nannte diese konturlosen und diffusen Gebilde später DOR-Wolken, weil sich zeigte, dass es sich um eine in ihrer Pulsation erstarrte und dadurch lebensfeindliche Form der atmosphärischen Orgonenergie handelte. 

„Es ist wichtig, dass die DOR- Wolken auftauchen, während die Sonne scheint. Die grü­ne Farbe der Bäume und Wiesen verschwindet von den Bergen. Alles sieht schwarz und matt aus. Der fehlende Glanz lässt sich durch eine Verminderung der orgonotischen Pulsation und des Orgon-Metabolismus in Pflanzen und Tieren erklären. Dies scheint dadurch bestätigt, dass an der Oberfläche von Seen die orgonotische Pulsation ebenfalls aufhört. Das Wasser wird ruhig und regungslos.“ (*3) 

„Der DOR-Notstand in Orgonon verschlechterte sich schnell im Lauf des Monats April. Die emotionellen und körperlichen Belastungen wurden unerträglich, und es war jetzt eine Frage von Leben und Tod, ob es uns gelingen würde, die schwarzen Ansamm­lungen von DOR- Wolken, die immer häufiger über Orgonon hingen, zu beseitigen.“ (*4) 

2.      Die Auflösung der atmosphärischen Erstarrung

Diese Problemlage sollte für Reich zum Ausgangspunkt für die Begründung einer ganz neuen Forschungsrichtung werden, die ihn zu umwälzenden Ent­deckungen im Zusammenhang mit der Erklärung und Beeinflussung des Wet­ters führte. Auf der Grundlage seiner Forschungen über die Funktionsgesetze der Orgonenergie entwickelte er Instrumente zur orgonenergetischen Beein­flussung der Atmosphäre, deren Anwendung völlig neue Möglichkeiten einer Wetterbeeinflussung eröffnet und die es möglich erscheinen lässt, den schon weit fortgeschrittenen Prozess der Zerstörung atmosphärischer Selbstregulie­rung tendenziell umzukehren. In Experimenten, die sich über mehrere Jahre erstreckten und 1956 wegen eines gegen ihn eingeleiteten Gerichtsverfahrens abgebrochen werden mussten, gelang Reich u.a. die Beseitigung von Smog, die künstliche Erzeugung von Regen - auch in Wüstengebieten - und die künstli­che Auflösung von Nebel. Die Anwendung seiner Wetterbeeinflussung dient der Wiederherstellung der zerstörten klimatischen Selbstregulierung. Ihre Wirksamkeit ist inzwischen durch entsprechende Experimente anderer For­scher wiederholt bestätigt worden.

Gemessen an unseren üblichen Vorstellungen über Technologie und techni­schen Fortschritt erscheinen die von Reich entwickelten Geräte zur Wetterbe­einflussung unglaublich primitiv. Aus früheren Beobachtungen wusste Reich, dass sich in Metallrohren gegenüber der Umgebung ein höheres Orgonpoten­tial aufbaut und dass zwischen Wasser und Orgonenergie eine starke Anzie­hung besteht. Außerdem hatte er schon früher beobachtet, dass unterschied­lich starke Orgonpotentiale nicht die Tendenz haben, einander auszugleichen, sondern dass umgekehrt das größere Orgonpotential dem kleineren die Energie bis zu einer bestimmten Sättigungsgrenze hin entzieht

Auf der Grundlage dieser Funktionsprinzipien montierte Reich mehrere paral­lele, einige Meter lange Metallrohre mit einem Durchmesser von einigen Zenti­metern, verband sie an einem Ende jeweils mit langen Metallschläuchen und leitete diese Schläuche in Wasser. Der Grundgedanke war der, dass die in den Metallrohren und -schläuchen konzentrierte Orgonenergie vom Wasser ange­zogen wird und dadurch ein Energiesog entsteht, der sich in Richtung der Me­tallrohre in der atmosphärischen

Orgonenergie fortsetzt (*5). Wenn es sich bei den DOR-Wolken um eine besondere Form der atmosphärischen Orgonenergie handelte, könnten sie sich u.U. dadurch beeinflussen lassen, dass die Me­tallrohre auf die DOR-Wolken gerichtet wurden. Reich war schließlich selbst verblüfft, welche Wirkung von diesen Geräten ausging: 

„Die Wirkung trat augenblicklich ein: Die schwarzen DOR- Wolken begannen zusam­menzuschrumpfen. Und immer wenn wir die Rohre gegen die OR-Energieströmung, d. h. nach Westen, richteten und nur wenige Minuten die OR-Energie 'zogen', wie wir es nannten, setzte eine Brise von Westen nach Osten ein und frische, blau-graue OR-­Energie strömte nach, wo kurz zuvor noch die drückenden OR- Wolken gewesen waren. Bald erkannten wird, dass auch Regenwolken beeinflusst und bewegt werden konnten, wenn man mit diesen Rohren in bestimmter Weise operierte. Aus den ersten tastenden Versuchen, den Notstand in Orgonon zu beheben, entwickelten sich allmählich syste­matischere Versuche, sowohl Wolken entstehen zu lassen und zu zerstören, als auch Regen zu machen und Regen zu stoppen.“ (*6) 

Die Experimente bestätigten Reichs Vermutung, dass es sich bei den DOR-Wolken um eine in ihrer Pulsation erstarrte Form der Orgonenergie handelte, die sich unter Einsatz der beschriebenen Geräte wieder zum Strömen und Pul­sieren bringen ließ. Je mehr pulsierende Orgonenergie aus der Umgebung an­gesaugt werden konnte, um so schneller ließen sich die DOR-Wolken auflösen und die natürlichen atmosphärischen Bedingungen wiederherstellen. Reich ge­lang es auf diese Weise, die unter dem Einfluss der DOR-Wolken unerträglich gewordenen klimatischen Bedingungen in der Gegend um Orgonon wieder zu normalisieren.

3.      Auflösung atmosphärischer Erstarrung und Smog-Beseitigung 

Vor dem Hintergrund dieser Experimente gelangte Reich auch zu einem tiefe­ren Verständnis des Auftretens von Smog, der nach seiner Auffassung nur aus der Einheit stofflicher und energetischer Vorgänge in der Atmosphäre erklärt werden kann. Die Erstarrung der orgonenergetischen Pulsation der Atmosphäre in Form von DOR schafft die energetischen Vorausset­zungen dafür, dass die stofflichen Partikel (Russ, Nebel) sich nicht mehr vertei­len bzw. auflösen können: 

Was man über den Großstädten 'Smog' nennt, ist eine Mischung aus Nebel, Russ usw. Dieser Nebel stagniert und löst sich nicht auf, wenn DOR- Wolken in der Atmosphäre vorhanden sind. Er erscheint nicht nur über Großstädten, sondern auch auf dem Land, wo keine industriellen Abgase vorkommen. Allerdings kann das Verharren der DOR­Wolken über den Großstädten verstärkt werden durch die Abgase in den Industriege­bieten. Das macht die Situation schlimmer, als sie ohne Rauchpartikel in der Luft sein würde.“ (*7)

Die daraus entwickelte Methode zur Auflösung von Smog besteht entspre­chend in der Auflösung der orgonenergetischen Erstarrung der Atmosphäre und in der Wiederherstellung ihrer natürlichen Pulsation.

4.      Atmosphärische Erstarrung und Krankheit

Die bei Erstarrung der atmosphärischen Pulsation auftretenden Krankheits­symptome hat Reich unter dem Begriff „DOR-Krankheit" zusammengefasst. Den Hintergrund für diese Symptome sieht er darin, dass eine Blockierung der atmosphärischen Orgonenergie unmittelbar auf energetischer Ebene auf eine entsprechende Blockierung der orgonotischen und plasmatischen Pulsation lebender Organismen einwirkt. Als typische Symptome der DOR-Krankheit nennt Reich u.a.:

„Allgemeine Schwäche und emotionelle Leiden. In einigen Fällen wird die Schwäche unterbrochen oder sogar ersetzt durch emotionelle Ausbrüche, oft Hass. Druck im Kopf, im Brustkorb, in den Armen und Beinen sind gewöhnlich. Die Atmung ist schwierig, und Gefühle des Mangels an Sauerstoff begleiten häufig das Leiden. Sehr großer Durst tritt auf unter Bedingungen, die eine DOR-Atmosphäre fördern, so die Gegenwart von fluoreszierendem Licht, Neonröhren in Restaurants; Uhren mit Leuchtziffern, Röntgengeräte in Krankenhäusern in der Nähe von Metallschränken, die als Orgon-Akkumulator wirken. Heiße Blitze wechseln mit trübem Aussehen. Die Gesichter erscheinen bläulich bis purpur. Die Leute scheinen sozusagen zu ersticken.

Sie beklagen sich darüber, dass 'irgendwas in der Luft liegt' oder 'irgendwas Merkwürdiges los ist'... 

Herzschwäche mit nachfolgendem Tod kommt häufig vor, besonders wenn für längere Zeit Nebel oder Nieselregen mit tiefhängenden Wolken die Zufuhr von frischem Sauer­stoff und Orgonenergie aus der Atmosphäre verhindert. Durchfall ist eines der leidvoll­sten Symptome bei länger andauerndem DOR-Notstand. Der Stuhl wird schwarz...Übelkeit kann sich zu häufigem Aufstoßen entwickeln. Tachycardie ist ein nicht selte­nes Symptom. Typisch ist auch ein Schütteln oder ein Zittern von Muskelfasern in verschiedenen Teilen des Körpers. Typisch für DOR-Krankheit ist auch eine emotionelle Abgestumpftheit... Sie geht Hand in Hand mit einem trüben Blick in den Augen, mit einem Ausdruck der Verzweiflung in den Gesichtszügen, der dem Betreffenden nicht unbedingt bewusst ist.“ (*8)

Die folgenden Schwerpunkte sind zusätzlich in der PDF-Datei (10 Seiten) zu finden:

  • Gezielte Auflösung von Wolken und Erzeugung von Regen

  • Unterbrechung von Dürreperioden

  • Erzeugung von Regen und Vegetation in der Wüste von Arizona

  • Der Doppelcharakter klimatischer Prozesse: Stoffliche Substanz und atmosphärische Orgonenergie

  • Orgonenergie - gemeinsame Wurzel von Wetter und Emotionen

  • Wiederherstellung zerstörter natürlicher Selbstregulierung

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Konfliktverdrängung und Systemerstarrung (1981)
VON BERND SENF:   Vollständiger Artikel als PDF Datei (40 Seiten)

Grundlagen einer allgemeinen Theorie der Emanzipation
I.    Einleitende Zusammenfassung 

Die folgende Abhandlung ist ein Versuch, begriffliche Grundlagen für eine ganzheitliche Theorie der Emanzipation zu entwickeln. „Ganzheitlich“ in dem Sinn, daß sie das dialektische Verhältnis von Mensch, Natur und Gesellschaft zum Gegenstand hat: „Theorie der Emanzipation“ in dem Sinn, daß - zunächst auf einer sehr allgemeinen Ebene - Bedingungen formuliert werden, durch die Emanzipations-prozesse immer wieder blockiert werden. Die Herausarbeitung solcher begrifflichen Grundlagen scheint mir eine wichtige Voraussetzung zu sein,

um die Blockierung von Emanzipationsprozessen in ihrem wesentlichen Kern zu „begreifen“ und auf ihren unterschiedlichen konkreten Ebenen aufzuspüren.

um gegenüber den entsprechenden erkenntniszerstörenden Einflüssen der herrschenden Wissenschaft und Ideologie zu sensibilisieren.

Die Abhandlung wird vor allem zurückgreifen auf Elemente der marxistischen politischen Ökonomie und der von Wilhelm Reich begründeten Sexualökonomie und versuchen, eine Synthese zwischen beiden Ansätzen zu entwickeln. In dieser Synthese ist die vorwärts treibende Kritik der marxistischen Theorie gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft und der bürgerlichen Ideologie enthalten, während gleichzeitig versucht wird, bestimmte Verengungen und Einseitigkeiten marxistischer Emanzipationsvorstellungen und der daraus abgeleiteten Emanzipationsstrategie unter Einbeziehung des Reichschen Ansatzes zu überwinden. 

Ich will zunächst die Hauptgedanken der folgenden Abhandlung thesenartig voranstellen, um sie anschließend im einzelnen abzuleiten:

  • In seinen charakteranalytischen Arbeiten hat Reich einen Zusammenhang aufgedeckt, der mir Ausdruck eines allgemeinen Funktionsprinzips lebender Systeme zu sein scheint: den Zusammenhang zwischen Konfliktverdrängung und Systemerstarrung. Während Reich auf diesen Zusammenhang bei der Erforschung der menschlichen Charakterstrukturen (des lebenden „Systems“ Mensch) gestoßen ist, findet sich ein entsprechender Zusammenhang auch auf der Ebene sozialer Systeme.
     

  • In bezug auf den Menschen hat Reich herausgearbeitet, dass sich die unterchiedlichen psychischen und psychosomatischen Erkrankungen („Biopathien“) auf eine gemeinsames Funktionsprinzip zurückführen lassen: die Erstarrung des Organismus gegenüber seiner eigenen Lebendigkeit (Charakterpanzer). An der Wurzel dieser Erstarrung wirkt der Grundkonflikt zwischen lebendiger Triebenergie und triebfeindlicher Umwelt.
     

  • Unter dem Druck einer triebfeindlichen Umwelt reagiert der Mensch schon in früher Kindheit mit einer psychischen und körperlichen Verdrängung dieses Grundkonflikts: Ein Teil der lebendigen Triebenergie spaltet sich ab, wird in psychischer und körperlicher Panzerung gebunden und blockiert auf diese Weise die lustvolle Entfaltung der lebendigen Trieb­energie. So entsteht ein innerer dialektischer Widerspruch zwischen lebendiger und erstarrter Triebenergie.
     

  • Dieser innere Widerspruch wird zur treibenden Kraft für die Entstehung von individuellen seelisch-körperlichen Krisensymptomen: Innerhalb der erstarrten Struktur staut sich die lebendige Triebenergie, wird in destruktive Bahnen umgelenkt und bricht in Form von Symptomen durch.
     

  • Der offene Durchbruch des individuellen Krisensymptoms kann zwar durch den Aufbau einer weiteren Verdrängung verhindert werden. Aber der Grundkonflikt wird auf diese Weise nicht an seiner Wurzel angegangen, sondern es wird lediglich das aus ihm hervorgetriebene Symptom beseitigt. An der Oberfläche scheint damit die Krise gelöst zu sein. In der Tiefe jedoch führt diese Art von Konfliktbewältigung zu einer zunehmenden psychischen und körperlichen Erstarrung, zu einer neuerlichen Aufstauung der noch fließenden Triebenergie und schließlich zum Durchbruch eines anderen (verschobenen) Krisensymptoms. Zunehmende Konfliktverdrängung führt entsprechend zu zunehmender Erstarrung und Destruktion, die sich nach außen als Brutalität und nach innen als psychosomatische Krankheit entladen kann.
     

  • Der Zusammenhang zwischen Konfliktverdrängung, Systemerstarrung und Destruktion - von Reich bei der Erforschung des lebenden „Systems“ Mensch entdeckt - scheint mir begrifflich übertragbar auf soziale Systeme: Werden die ökonomischen und sozialen Konflikte nicht an ihrer Wurzel gelöst, so bringen sie immer wieder ökonomische und soziale Krisensymptome hervor. Mit Mitteln des Staatsinterventionismus lassen sich die einzelnen Krisensymptome zwar oberflächlich beseitigen, aber an anderer Stelle entstehen dafür neue, verschobene Krisensymptome, die wiederum neue Interventionen erforderlich machen. Die daraus folgende Kette von (politischen) Konfliktverdrängungen ist verbunden mit einer zunehmenden Erstarrung des politischen und sozialen Systems. Diese Erstarrung geht einher mit zunehmender innerer und/oder äußerer Destruktivität des Systems.
     

  • Die Übertragung der Begriffe „Konfliktverdrängung“ und „Systemerstarrung“ auf soziale Systeme beinhaltet, dass - mit Marx und entgegen der bürgerlichen Ideologie - davon ausgegangen wird, dass an der Wurzel kapitalistischer Systeme ein innerer Grundkonflikt wirkt - der Grundkonflikt zwischen Lohnarbeit und Kapital, zwischen lebendiger und erstarrter Arbeit. Er beinhaltet auch - im Unterschied zu Marx -, dass dieser Konflikt nicht notwendig zur revolutionären Überwindung des Systems treiben muss, sondern stattdessen zur zunehmenden Erstarrung des Systems führen kann.
     

  • Die bürgerliche Ideologie vor Marx (und noch lange danach) war (und ist) blind gegenüber dem Grundkonflikt der bürgerlichen Gesellschaft und den daraus hervorgetriebenen Krisensymptomen. Sie ging stattdessen von einer störungsfreien Selbstregulierung der kapitalistischen Marktwirtschaft aus, in der das Gewinninteresse der Unternehmen in Harmonie steht mit dem Interesse der Gesamtgesellschaft an größtmöglichem Wohlstand.
     

  • Demgegenüber arbeitete Marx in seinem „Kapital“ heraus, dass an der Wurzel der ökonomischen Struktur des Kapitalismus der Grundwider­spruch zwischen Lohnarbeit und Kapital, zwischen lebendiger und erstarr­ter Arbeit wirkt - und damit zusammenhängend der Klassenkonflikt zwi­schen Arbeiter- und Kapitalistenklasse. In diesem Konflikt sah er die trei­bende Kraft ökonomischer und sozialer Umwälzungen und Krisen, die schließlich zu einer revolutionären Überwindung der Kapitalherrschaft in Richtung auf eine herrschaftsfreie Gesellschaft führen würde.
     

  • Auf die tatsächlich eintretenden und sich verschärfenden ökonomischen und sozialen Krisen reagierte die bürgerliche Gesellschaft auf ideologischer Ebene mit bestimmten oberflächlichen Korrekturen, deren gemeinsames Merkmal es ist, den nach wie vor bestehenden Grundwiderspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital konsequent zu leugnen (ideologische Konfliktver­drängung). Auf politischer Ebene bestand die Korrektur in zunehmenden staatlichen Eingriffen in das ökonomische und soziale System, deren Auf­gabe es sein sollte, die Krisensymptome zu beseitigen.
     

  • Die dabei entwickelten Strategien des staatlichen Krisenmanagements haben durchweg den Charakter, die tieferliegende Wurzel der Krisen - den Grundwiderspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital - unangetastet zu lassen. Die damit verbundenen ökonomischen und sozialen Konflikte wer­den auf diese Weise nicht wirklich gelöst, sondern verdrängt (politische Konfliktverdrängung). Die Folge besteht in einer zunehmenden Erstarrung und Destruktivität des politischen und sozialen Systems.
     

  • Die zunehmende Erstarrung des sozialen Systems setzt sich über den Mechanismus der Triebunterdrückung um in zunehmende Erstarrung und Destruktion der Menschen, deren erstarrte Strukturen ihrerseits zurück­wirken auf die Gesellschaft. Die biopathische Massenerkrankung ist inso­fern nicht nur Ausdruck der individuellen psychischen Konfliktverdrän­gungen, sondern gleichzeitig Ausdruck der ideologischen und politischen Konfliktverdrängung der Gesellschaft.
     

  • Aus der Erkenntnis, dass es sich beim Zusammenhang zwischen Konflikt­verdrängung, Systemerstarrung und Destruktion um ein allgemeines Funktionsprinzip lebender Systeme handelt, lassen sich - jenseits aller konkreten Unterschiede - bestimmte „funktionelle Identitäten“ zwi­schen unterschiedlichen Systemen herausarbeiten. Die Herrschaft des Er­starrten über das Lebendige ist dabei ein Prinzip, das sich durch alle Ebe­nen individueller und sozialer Prozesse - im Kapitalismus wie im real exi­stierenden Sozialismus - hindurchzieht. Sie ist das bestimmende Moment für das Verhältnis zwischen Mensch, Natur und Gesellschaft in repressiven sozialen Systemen.
     

  • Die wissenschaftliche Zurückführung des Erstarrten auf das Lebendige, aus dem es ursprünglich hervorgegangen ist und demgegenüber es sich ver­selbständigt hat, ist radikal und herrschaftsbedrohend. Denn es zeigt die prinzipielle Möglichkeit, den Prozess der Erstarrung und der damit verbun­denen Herrschaft umzukehren in Richtung auf eine Befreiung des Leben­digen, auf eine allgemeine Emanzipation.
     

  • Die marxistische politische Ökonomie ist insofern radikal, als sie nach­weist, dass das Kapital kein eigenständiger produktiver Faktor ist, sondern seine Existenz dem durch die Lohnarbeit produzierten Mehrwert verdankt, sich aber gleichwohl gegenüber der Lohnarbeit verselbständigt hat. Die - Reichsche Sexualökonomie ist insofern radikal, als sie nachweist, dass der Charakterpanzer aus einer Abspaltung ursprünglich lebendiger Triebener­gie hervorgegangen ist und sich ihr gegenüber verselbständigt hat - als Folge gesellschaftlich bedingter Triebunterdrückung.
     

  • Die in repressiven sozialen Systemen herrschende Wissenschaft und Ideo­logie ist blind gegenüber der treibenden Kraft der lebendigen Arbeit, eben­so wie gegenüber der treibenden Kraft der lebendigen Triebenergie. Sie muss es sein, wenn sie die Herrschaft des Erstarrten über das Lebendige verschleiern und das gegebene Herrschaftssystem legitimieren will.
     

  • Emanzipatorische Wissenschaft besteht umgekehrt in der Aufdeckung des verschleiernden, erkenntniszerstörenden und damit destruktiven Charak­ters herrschender Wissenschaft und Ideologie und in der Herausarbeitung der Funktionsgesetze des Lebendigen. Sie sensibilisiert auf diese Weise für den Zusammenhang zwischen Erstarrung und Destruktion und bildet so eine Grundlage für eine alternative Gestaltung des Verhältnisses zwischen Mensch, Natur und Gesellschaft, in der sich das Lebendige immer mehr entfalten kann. 

Wenn ich im folgenden näher auf die einzelnen Thesen eingehe, so wird es sich gleichwohl um eine sehr komprimierte Verarbeitung und Verbindung unter­schiedlicher Gedankengänge handeln, die ich an anderer Stelle und in ande­rem Zusammenhang ausführlich abgeleitet habe (*2). Worum es in der folgen­den Abhandlung geht, ist vor allem die Zusammenführung und Verknüpfung von Gedankenfäden und Untersuchungsbereichen, die auf den ersten Blick scheinbar wenig miteinander zu tun haben, deren Verknüpfung mir aber neue Perspektiven für ein ganzheitliches Verständnis der Beziehung zwischen Mensch, Natur und Gesellschaft und für eine allgemeine Theorie der Emanzi­pation zu eröffnen scheint.

Bezüglich der Thesen über Reichs Forschungen zum Charakterpanzer möchte ich verweisen auf die ersten beiden Hefte von „emotion“ (1/1980 und 2/1981), in denen diese Zusammenhänge ausführlich abgeleitet sind. (*3)

Die von Reich am Beispiel des Charakterpanzers aufgedeckten Zusammen­hänge zwischen Konfliktverdrängung, Systemerstarrung und Destruktion - die hier als bekannt vorausgesetzt werden sollen - scheinen mir Ausdruck ei­nes allgemeinen Funktionsprinzips zu sein, das in allen lebenden Systemen wirksam ist. Unter lebenden Systemen verstehe ich nicht nur einzelne lebende Organismen, sondern auch soziale Systeme der unterschiedlichsten Art, ange­fangen bei der Zweierbeziehung über eine Gruppe, Familie, Organisation oder Partei bis hin zur Gesellschaft als Ganzes. Ich will mich im folgenden auf die Diskussion dieser Zusammenhänge für die Gesellschaft als ganzes beschrän­ken, speziell zunächst für die kapitalistische. Später werde ich zu zeigen versu­chen, dass dieses Funktionsprinzip auch in den heute existierenden sozialisti­schen Systemen wirksam ist.

Die Übertragung dieses Prinzips auf die Analyse der Gesellschaft bedeutet na­türlich nicht, dass der Kapitalismus und seine ökonomischen Bewegungsgeset­ze nunmehr aus der Psychologie bzw. aus der Reichschen Sexualökonomie ab­geleitet werden soll. Ein solcher Versuch wäre von vornherein völlig verfehlt. Gemeint ist vielmehr, dass jenseits der unterschiedlichen Bereiche (ökonomi­sches System bzw. psychosomatisches System) allgemeinere Funktionsprinzi­pien existieren, die innerhalb der einzelnen Bereiche unterschiedlichen konkre­ten Ausprägungen unterliegen.

Ich will beginnen mit einer kurzen Darstellung der bürgerlich-liberalen Ideolo­gie, die von dem durch Marx aufgedeckten Grundkonflikt der bürgerlichen Gesellschaft noch keinen Begriff hatte. Anschließend soll herausgearbeitet werden, wie die Marxsche Aufdeckung des Grundkonflikts und der daraus hervorgehenden Krisensymptome durch die bürgerliche Sozialwissenschaft systematisch wieder verschüttet wurde.......

Die folgenden Schwerpunkte sind zusätzlich in der PDF-Datei (40 Seiten) zu finden:

  • Der Grundkonflikt des Kapitalismus und seine Verdrängung

  • Konfliktverdrängung und Systemerstarrung in sozialen Systemen

  • Funktionelle Identität zwischen Individuum und Gesellschaft

  • Konfliktverdrängung und Systemerstarrung im real existierenden Sozialismus

  • Radikale Wissenschaft: Entdeckung des Lebendigen

  • Zur Aufgabe emanzipatorischer Wissenschaft

 

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Version: 24.06.08 21:25:26