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Nach Reich:
Neue Forschungen zur Orgonomie
Sexualökonomie - Die Entdeckung der Orgonenergie

Internationale Forscher/innen ziehen eine Erfahrungs- und Forschungsbilanz der Wissenschaft von der Lebensenergie. Das Buch, herausgegeben von James DeMeo und Bernd Senf, ist sowohl Forschungsbericht als auch ein theoretisches und systematisches Kompendium.

Die Beiträge auf dieser Seite erscheinen mit freundlicher 
Genehmigung des Verlages Zweitausendeins.

Zweitausendeins
 
Fadenheftung, fester Einband
898 S. ca. 100 Bilder
1. Auflage, Dezember 1997
ISBN: 3-86150-239-9
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Kurzer Leitfaden durch das Gesamtwerk Wilhelm Reichs (1980) [1]
VON BERND SENF  als PDF Datei (7 Seiten)

Dieser Text erschien auch in »emotion 1«

Der Autor gibt einen groben Überblick über das Gesamtwerk von Reich und plädiert dafür, es nicht in einzelne Teile aufzusplittern, sondern in seiner Ganzheit aufzuarbeiten. Er sieht darin eine wesentliche Grundlage emanzipatorischer und lebenspositiver Perspektiven.[2]

Ende April dieses Jahres (1979) fand im Psychologischen Institut (P1) der Freien Universität Berlin eine Veranstaltung zum Thema »Wilhelm-Reich-Therapie in der Praxis« statt, zu der mit einem Schlag 400 bis 500 Leute auf die Beine kamen. Das Interesse an Reich, dessen frühe Arbeiten eine wesentliche theoretische Grundlage der antiautoritären Bewegung Ende der 60er Jahre bildeten und die danach weitgehend aus der linken Diskussion herausfielen, ist offenbar wieder im Anwachsen.

Die Ausbreitung der Körpertherapien läßt ein neues Interesse an Wilhelm Reich entstehen

Allerdings steht dieses Interesse in einem ganz anderen Zusammenhang, nämlich im Zusammenhang mit den sich immer mehr ausbreitenden körperorientierten Therapien (Bioenergetik, Gestalt und ähnliche), die alle indirekt auf Reich zurückgehen. Reich war der erste, der das Verhältnis von psychischen und körperlichen Verkrampfungen systematisch untersucht und die Identität von Charakterpanzer und Körperpanzer herausgearbeitet hat. Und die neuen körperorientierten Therapien haben bestimmte therapeutische Elemente übernommen, die bei Reich bereits in seiner »Vegetotherapie« angelegt waren. Dadurch aber, daß diese Elemente aus dem Gesamtzusammenhang der Reichschen Arbeiten herausgerissen werden, bleibt auch innerhalb der Therapiebewegung die Bedeutung dieser Arbeiten weitgehend verkannt.

Das Reichsche Gesamtwerk beinhaltet wesentlich mehr: Es ist Grundlagenforschung über den Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Repression und psychischer Erkrankung der Massen

Dabei könnte das in sich zusammenhängende Gesamtwerk von Reich ein Schlüssel sein für das grundlegende Verständnis psychischer und psychosomatischer Krankheiten (einschließlich Krebs): Nach Reich sind diese Krankheiten Ausdruck einer destruktiven Umlenkung von Triebenergien, die in einer repressiven Gesellschaft an ihrer lebendigen kreativen und sinnlichen Entfaltung gehindert werden.

Für die Emanzipationsbewegung kann die Aufarbeitung von Reichs Gesamtwerk sehr wichtig sein

Um die Diskussion über den Gesamtzusammenhang der Reichschen Arbeiten und ihre Bedeutung für die Emanzipationsbewegung voranzutreiben, veranstaltet die aus der PI-Veranstaltung hervorgegangene Wilhelm-Reich-Initiative in diesem Semester eine zehnteilige »Einführung in die Arbeiten von Wilhelm Reich«, und zwar zu folgenden Themen[3]:

- Verdrängung und Charakterpanzer
- Charakterpanzer und Körpertherapie

- Autoritäre Kleinfamilie und Sexualunterdrückung

- Faschismus und autoritärer Charakter
- Historische Wurzeln von Triebunterdrückung
- Politische Ökonomie und Sexualökonomie
-
Naturwissenschaftliche Erforschung der Triebenergie (»Orgon«)
-
Medizinische Anwendung der Orgonenergie
-
Psychosomatik des Krebses
- Orgonenergie und Ökologie

Die folgenden Ausführungen sollen wenigstens einen ganz groben Überblick über den inneren Zusammenhang von Reichs Forschungen vermitteln und den Stellenwert der einzelnen Themen im Rahmen des Gesamtkonzepts andeuten.

Aus der Psychoanalyse entwickelte Reich die Charakteranalyse

Reich ging zunächst aus von der Freudschen Psychoanalyse, die herausgefunden hatte, daß neurotische Erkrankungen immer eine Folge von Verdrängungen psychischer Konflikte sind. Bei dem Versuch, die verdrängten Konflikte wieder bewußt zu machen und auf diese Weise die Neurose zu heilen, stieß die Psychoanalyse immer wieder auf therapeutische Grenzen, die Reich in Zusammenhang brachte mit dem psychischen Widerstand der Patienten, der sich dem Bewußtwerden entgegenstellte. Dieser Widerstand äußerte sich regelmäßig in einer bestimmten jeweils unterschiedlichen erstarrten Haltung - sowohl psychisch wie auch körperlich. Durch systematische Analyse dieser Widerstände (Widerstandsanalyse) gelang es Reich, die Abwehrhaltung der Patienten aufzuheben und das verdrängte psychische Material heraussprudeln zu lassen.

Der Charakterpanzer ist der Niederschlag einer Kette von Konfliktverdrängungen

Dabei zeigte sich, daß die verfestigten Charakterstrukturen jeweils eine Überlagerung verschiedener Verdrängungen darstellten, durch deren schichtweises Abtragen der Zugang zum Kern der Neurosen möglich wurde. Im Kern jeder Neurose entdeckte Reich eine Unterdrückung sexueller (emotioneller) Bedürfnisse, die bereits in der Kindheit begonnen hat. Je nachdem, zu welcher Zeit und in welcher Intensität die Triebbedürfnisse des Kindes durch seine Umgebung unterdrückt worden waren, hatten sich unterschiedliche Charakterstrukturen herausgebildet, die nach Reich erstarrte Ablagerungen der individuellen Entwicklungsgeschichte sind.

Die gesellschaftliche Unterdrückung spontaner Triebbedürfnisse bildet den Kern jedes Charakterpanzers

Reich beobachtete, daß alle Charakterpanzerungen einhergehen mit einer mehr oder weniger ausgeprägten Störung der sexuellen Empfindungsfähigkeit und mit einer Stauung sexueller Energie, die auf diese Weise zur Quelle neurotischer Symptome beziehungsweise psychosomatischer Krankheiten wird. In der Wiedererlangung der »orgastischen Potenz« (die sich qualitativ von einer nur erektiven Potenz unterscheidet) sieht Reich deshalb eine notwendige Voraussetzung für den Abbau dieser Symptome (Die Funktion des Orgasmus).

Jede Neurose geht einher mit einer Störung der sexuellen Empfindungsfähigkeit und einer Stauung sexueller Energie, die so zur Quelle von Symptomen wird

Seine Feststellung, daß unter diesem Gesichtspunkt die Masse der Menschen in dieser Gesellschaft charakterneurotisch krank ist, führte ihn zu der Frage nach den gesellschaftlichen Hintergründen und Funktionen der Triebunterdrückung. In der Sexualunterdrückung (angefangen beim kleinen Kind und vermittelt durch die autoritäre Kleinfamilie) sah er ein wesentliches Instrument zur charakterstrukturellen Anpassung der In­dividuen an die rigiden und autoritären Strukturen des kapitalistischen Arbeitsprozesses (Die sexuelle Revolution).

Die Kleinfamilie erzeugt autoritäre Charakterstrukturen für eine autoritäre Gesellschaft

Seine Abhandlung über die Massenpsychologie des Faschismus (1933) wirft die Frage auf, warum in Zeiten der größten Krise des Kapitalismus die Massen nicht den Weg der Befreiung aus den repressiven gesellschaft­lichen Strukturen wählten, sondern großenteils den Faschismus mitgetragen haben. Reich betrachtet dabei die charakterstrukturelle Deformierung der Massen als psychologische Voraussetzung für die Durchsetzung des Faschismus, der mit seiner Ideologie diese Strukturen geschickt ausnutzte und mit seinem Herrschaftssystem massenweise Möglichkeiten schaffte, die sado-masochistischen Impulse des autoritären Charakters offen auszuleben.

Autoritäre Charakterstrukturen bilden den massenpsychologischen Boden für die Durchsetzung des Faschismus

Die Frage, ob nicht für den Bestand jeder Gesellschaft Triebunter­drückungen erforderlich sind, führte Reich in das Studium historischer und ethnologischer Arbeiten über die Ursprünge der patriarchalischen Gesellschaft. In seinem Buch Einbruch der sexuellen Zwangsmoral verarbeitet er unter anderem Materialien des Ethnologen Malinowski über die Trobriand-Inseln, die die Existenz nicht-patriarchalischer Gesellschaften ohne Sexualunterdrückung nachweisen, in denen Neurosen und Brutalität unbekannt sind.

In nicht-patriarchalischen Gesellschaften ohne Triebunterdrückung gibt es weder Neurosen noch Brutalität

Für die Erfassung des Zusammenhangs zwischen der ökonomischen und politischen Struktur der Gesellschaft und der Charakterstruktur der Massen schien Reich die marxistische politische Ökonomie allein nicht auszureichen, ebensowenig wie eine von den gesellschaftlichen Zusammenhängen abstrahierende Psychoanalyse. Er entwarf demgegenüber ein Forschungskonzept, in dem die Theorie über die ökonomischen Bewegungsgesetze der Gesellschaft (Politische Ökonomie) verknüpft wird mit einer Theorie über die innerpsychischen Bewegungsgesetze der Triebenergie in den Individuen (Sexualökonomie). Nur so ließe sich ein tieferes Verständnis für die innerpsychische Verankerung äußerer Herrschaft und für die blockierenden Strukturen entwickeln, die einer Emanzipation der Massen entgegenstehen. Mit diesem Konzept geriet er Anfang der 30er Jahre nicht nur in Konflikt mit der Freudschen Psychoanalytischen Vereinigung, sondern auch mit der stalinistischen KPD: Er wurde aus beiden Organisationen ausgeschlossen.

Eine Verbindung von politischer Ökonomie und Sexualökonomie eröffnet den Zugang zum tieferen Verständnis der Blockierung von Emanzipation

Nach seiner Emigration aus Deutschland widmete sich Reich vor allem der sexualökonomischen Grundlagenforschung. Zunächst stieß er auf den Zusammenhang zwischen Charakterpanzer und Körperpanzer und ent­wickelte mit seiner »Vegetotherapie« eine Methode, um die körperlichen Panzerungen systematisch aufzulösen und damit gleichzeitig psychische Verkrampfungen abzubauen. Dabei bestätigte sich seine Hypothese, daß die Auflösung aller Panzerungen zu einer neuen Qualität sexueller Erlebnisfähigkeit und zum Abbau von Triebstauungen führe, wodurch den neurotischen und psychosomatischen Symptomen die sie treibende Energie entzogen wurde. Im Zuge der Vegetotherapie konnte Reich nachweisen, daß bestimmte Charakterzüge ihre Verankerung in jeweils ganz bestimmten körperlichen Verkrampfungen haben, die segmentartig über den Körper verteilt sind (Segmentpanzerung). Einer bestimmten Charakterstruktur entspricht damit immer eine bestimmte Struktur der Segmentpanzerungen.

Der Charakterpanzer ist gleichzeitig körperlicher Panzer und läßt sich mit Körpertherapie auflösen

Mit diesen Forschungen ließ sich - bei allen Unterschieden im einzelnen - die gemeinsame Wurzel aller psychischen und psychosomatischen Krankheiten herausarbeiten: Nach Reich sind sie Ausdruck und Folge von Panzerungen des Organismus gegen seine eigene spontane Lebendigkeit. Je nachdem, welche Körpersegmente von den Panzerungen beziehungsweise den daraus folgenden Triebstauungen betroffen sind, ergeben sich auf psychosomatischer Ebene unterschiedliche Krankheiten: Die von den Blockierungen betroffenen Organe unterliegen einer Unterfunktion, die von Stauungen betroffenen erfahren eine Überfunktion. Beides äußert sich zunächst nur als funktionelle Störung, kann aber langfristig in Organveränderungen umschlagen.

Alle psychischen und psychosomatischen Krankheiten sind Ausdruck und Folge von Panzerungen und daraus folgenden Triebstauungen

Auf der Suche nach den Grundlagen der blockierten, aufgestauten beziehungsweise frei strömenden Emotionen stieß Reich auf den Zusammenhang zwischen Lust und körperlicher Expansion beziehungsweise Angst und körperlicher Kontraktion als einem allgemeinen Prinzip des Lebendigen. Seine mikrobiologischen Forschungen zeigten, daß dieser »Urgegensatz des vegetativen Lebens« bis hinunter zu den Einzellern zu beobachten ist, wo er sich als Expansion beziehungsweise Kontraktion des Zellplasmas darstellt und als solcher auch in hochentwickelten Organismen vorkommt. Im Zusammenhang mit den Untersuchungen von Mikroorganismen entdeckte Reich Übergangsformen zwischen toter und lebender Substanz, die sich spontan zu lebenden Einzellern organisierten und sich experimentell reproduzieren ließen (Entdeckung der Biogenese).

Die Grundlagenforschung über das Wesen der Emotionen führte zur Entdeckung der Biogenese und zur Entdeckung einer Lebensenergie

Von diesen sogenannten »Bionen« ging eine starke Strahlung aus, die sich nicht in die bekannten Formen der Energie einordnen ließ. Wie sich erst später herausstellte, war Reich damit die Entdeckung einer biologischen Energie gelungen, die die psychischen und somatischen Prozesse aller lebenden Organismen energetisch antreibt. Er nannte diese Energie »Orgonenergie«. Vor dem Hintergrund dieser Entdeckungen ließ sich Leben begreifen als eine Einheit von stofflicher Substanz und bioenergetischem Anteil, wobei diese Einheit in jeder einzelnen lebendigen Zelle gegeben ist: Zellplasma und Zellwand stellen die stoffliche Substanz, die durch die pulsierende biologische Energie in der Wahrnehmung ihrer Funktion angetrieben wird.

Leben ist immer eine Einheit von stofflicher Substanz (Zellplasma) und der sie treibenden Lebensenergie 

In der Blockierung der plasmatischen Pulsation der Zellen erkannte Reich die gemeinsame Grundlage aller psychischen und psychosomatischen Krankheiten, wobei er den Krebs als Ausdruck und Folge einer totalen Blockierung des Gesamtorganismus betrachtete. Das Krebsgeschwür entwickelt sich demgemäß jeweils an der schwächsten Stelle des Organismus (mit der stärksten Blockierung beziehungsweise mit der stärksten Belastung durch krebsauslösende Stoffe).

Krebs ist die Folge einer Blockierung der plasmatischen Pulsation, das heißt einer totalen Blockierung der Emotionen

Bei dem Versuch, die von den »Bionen« ausgehende neu entdeckte Strahlung auf ihre physikalischen Gesetzmäßigkeiten hin zu untersuchen, stellte sich heraus, daß diese Energie auch unabhängig von lebenden Organismen und in stofflich nicht gebundener Form den gesamten Raum ausfüllt. Sie unterliegt dabei unterschiedlichen Konzentrationen und läßt sich - unter Ausnutzung ihrer von Reich entdeckten physikalischen Gesetzmäßigkeiten - mit einem sogenannten »Orgonakkumulator« aus dem Raum akkumulieren.

Die Lebensenergie (»Orgon«) läßt sich mit einem Orgonakkumulator aus dem Raum konzentrieren

Außer für physikalische Untersuchungen verwendete Reich den Orgonakkumulator auch für medizinische Zwecke, indem er Patienten einer Bestrahlung mit konzentrierter Orgonenergie aussetzte und sich deren Organismus auf diese Weise bioenergetisch auflud. Dadurch wurden vor allem die allgemeinen Abwehrkräfte des Körpers gestärkt und Symptome behoben, die Folge eines allgemeinen Mangels an biologischer Energie waren (Stärkung aller vagotonen Funktionen). Spezielle Akkumulatoren wurden darüber hinaus zur Bestrahlung einzelner Körperregionen und Organe verwendet, um deren spezielle Funktionen zu stärken. Mit lokaler Orgonbestrahlung ließen sich auch Wunden heilen. Des weiteren entwickelte Reich ein Gerät, mit dem biologische Energie im Fall von Stauungskrankheiten dem Körper entzogen und in Panzerungen erstarrte Energie (DOR) wieder zum Fließen gebracht werden konnte (»DOR-buster«).

Der Orgonakkumulator ermöglicht eine Aufladung des Organismus mit Lebensenergie und kann therapeutisch eingesetzt werden

Eine große Ausführung des DOR-buster, den sogenannten Cloudbuster, benutzte Reich, um die Orgonkonzentration und Pulsation der Atmosphäre gezielt zu beeinflussen, wobei sich herausstellte, daß ein unmittelbarer Zusammenhang besteht zwischen den orgonenergetischen Bedingungen der Atmosphäre und klimatischen Prozessen. Reich entdeckte unter anderem, daß radioaktive Strahlung die natürliche Pulsation der Orgonenergie in der Atmosphäre blockiert und damit die Grundlagen der klimatischen Selbstregulierung zerstört. Eine Blockierung der atmosphärischen Pulsation blockiert immer auch unmittelbar die plasmatische Pulsation der in ihr lebenden Organismen und erzeugt beziehungsweise verstärkt auf diese Weise deren Krankheiten. Reichs spätere ökologische Experimente waren unter anderem darauf gerichtet, die Blockierung der atmosphärischen Pulsation mit entsprechenden Geräten aufzulösen und die zerstörte natürliche Selbstregulierung der Atmosphäre wiederherzustellen. Bei diesen Experimenten gelang unter anderem die Auflösung von Smog und die Erzeugung von Regen in Wüstengebieten.

Die orgonenergetischen Bedingungen der Atmosphäre bestimmen das Wetter und können beeinflußt werden

Die in diesem Artikel thesenhaft zusammengefaßten Forschungsergebnisse von Reich sind zunächst einmal so wiedergegeben, wie sie sich aus der Sicht von Reich darstellen. Damit können selbstverständlich diese Ergebnisse nicht von vornherein alle als richtig angesehen werden. Ein Urteil darüber kann sich erst ergeben durch gründliche Aufarbeitung, Überprüfung und gegebenenfalls durch Weiterentwicklung seiner Forschungen. Aber eben dieser Prozeß der Auseinandersetzung ist bis heute im deutschen Sprachraum fast vollständig unterblieben, jedenfalls was die späteren Forschungen von Reich anbelangt. (In der Studentenbewegung waren diese Arbeiten noch völlig unbekannt.) In den USA, in England, Frankreich und Italien sieht es diesbezüglich etwas anders aus: Die Veröffentlichungen über dort durchgeführte Untersuchungen deuten darauf hin, daß sich wesentliche Ergebnisse der Reichschen Forschungen bestätigen lassen.

Untersuchungen im Ausland deuten darauf hin, daß sich Reichs Forschungen in wesentlichen Teilen bestätigen lassen

Aber auch die frühen Arbeiten von Reich, die in der Studentenbewegung eine große Rolle spielten, sind mit Auslaufen dieser Bewegung immer mehr aus der linken Diskussion herausgefallen. Dies ist nicht das Ergebnis einer kritischen Aufarbeitung seiner Schriften, sondern hängt vielmehr damit zusammen, daß Reichs radikale Kritik autoritärer charakterlicher und gesellschaftlicher Strukturen (einschließlich des Stalinismus) nicht in das Konzept der autoritären linken Parteien paßte, wie sie sich nach dem Zerfall der Studentenbewegung herausgebildet hatten. An die Stelle kritischer Auseinandersetzung mit seinem Werk war das Produzieren von Vorurteilen getreten (Reich als »Psychologist«, »Biologist«, »Antikommunist«, »Spinner« und so weiter), die vielfach noch bis heute nachwirken und bei vielen Linken eine Berührungsangst gegenüber den Arbeiten von Reich erzeugt haben (zumindest was die Auseinandersetzung mit dem »späten Reich« anbelangt; zur Verfestigung dieser Vorurteile haben nicht zuletzt auch einige »Reichianer« beigetragen, die bestimmte Teile der Reichschen Arbeiten aus dem Zusammenhang gerissen haben und total drauf abgefahren sind).

Die Verdrängung Reichs nach der Studentenbewegung hängt zusammen mit der Bildung autoritärer linker Parteien

Das Abwenden vieler Linker von den autoritären linken Parteien und Gruppierungen und von der politischen Perspektive eines bürokratischen Sozialismus sowie die verstärkte Suche nach emanzipatorischen Alternativen bringt auch wieder eine größere Offenheit gegenüber den radikalemanzipatorischen Arbeiten von Reich mit sich. In dieser Situation kann eine gründliche Aufarbeitung von Reichs Gesamtwerk und seine Einbringung in die Theorie und Praxis der emanzipatorischen Bewegung von großer Bedeutung sein, nicht nur für ein tieferes Verständnis der die Emanzipation blockierenden gesellschaftlichen und innerpsychischen Strukturen, sondern auch für die Suche nach emanzipatorischen Alternativen.

[1] Zuerst veröffentlicht in: emotion 1/1980:8-17.
[2] Papier zur Veranstaltungsreihe der Wilhelm-Reich-Initiative Berlin: »Einführung in die Arbeiten von Wilhelm Reich« im WS 79/80
[3]Die Veranstaltungen der Wilhelm-Reich-Initiative wurden regelmäßig von cirka 400 Leuten besucht. Aus ihnen heraus haben sich verschiedene Arbeits- und Forschungsgruppen gebildet.

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Version: 06.03.11 21:02:06