Home  |

Wer verfolgte die Hexen-Hebammen? Und warum?
Oder
Wie die  sexualfeindliche Moral in Europa etabliert wurde (2003)
Von Ottmar Lattorf   
Vollständiger Artikel als PDF Datei (363k)

1. Über die Hexenverfolgung - und warum sie noch unverstanden und gleichzeitig wichtig ist. 

Man könnte meinen, so ein altes Thema hat für unser heutiges Leben keine Bedeutung mehr. Manche sagen sogar, über die Hexen-Verfolgung sei schon alles gesagt worden. Aber weder das eine noch das andere ist wahr. Eher ist es so, dass die Hexenverfolgung einer der schwerwiegendsten sozialen Katastrophen der letzten 1000 (Tausend!)  Jahre war, mit Resultaten an denen wir  - ohne es zu ahnen -, heute noch leiden. Z.B. haben wir der Verlust von effektiven, pflanzlichen Verhütungsmitteln zu beklagen; ebenso die Neurotisierung des Gefühlslebens und die Gräben zwischen den Geschlechtern.  Selbst die  Bevölkerungsexplosion bzw. das Auftauchen des Phänomens der Masse hat damit  ursächlich zu tun.
Allein schon der zeitlich Faktor war immens: immerhin hat die Verfolgung mehr als 400 Jahre gedauert. Die Hexenverfolgung hat zu einer totalen Veränderung der Mentalität und der menschlichen Fühlweise geführt, die aber dann epochal und bestimmend wurde: die Fühlweise des neurotischen, modernen Menschen.
Durch den Prozess der Hexenverfolgung kam es in einem wichtigen Bereich des menschlichen (Selbst-) Erkenntnisprozesses, - im Bereich des Fühlens - zu  Tabus und Behinderungen, die flächendeckend und epidemisch eingeführt und „kultiviert“ wurden. Es kam zu Tabus und emotionalen Behinderungen die den Menschen vorher unbekannt waren.

Obwohl wir uns heute in den westlichen Industriegesellschaften auf dem Höhepunkt einer kulturellen Entwicklungs-Stufe wähnen, kann man dass, was die Liebesfähigkeit, die Fühlfähigkeit, die Sexualität und das Liebesleben  der Menschen anbelangt, bezweifeln. Es scheint eher so zu sein, dass wir uns diesbezüglich in einem der tiefsten Jammertäler befinden in das Menschen hineingeworfen werden können! Das durchschnittliche Liebesleben in den Industriestaaten scheint der unterentwickelte Rest, eine Degenerationsform dessen zu sein, was in alten, anderen oder „primitiven“ Kulturen zwischen den Geschlechtern an Selbstschauung und Ekstase möglich war! Und einer der Hauptgründe für die Rückentwicklung  war die Hexen -Verfolgung. 

Wenn man die Geschichte der Menschheit im Hinblick auf das Liebesleben und den Gefühlen erforscht und Hinweise sammelt, die Rückschlüsse auf die Qualität der Beziehungen  zwischen den Geschlechtern zulassen, findet man,  dass es in vielen alten Kulturen (z.B. im europäischen Mittelalter, im alten Griechenland, im alten China, im alten Indien) und in vielen sog. „primitiven“ Stämmen (z.B. bei den nordamerikanischen Indianern, bei den Pygmäen, im Regenwald Indiens oder der Südsee) einen sehr viel liebevolleren, solidarischen, geduldigeren und sexualfreundlicheren Umgang unter den Menschen gegeben hat, -und zum Teil noch gibt-  als das, was wir aus unseren entwickelten Industrieländern wahrnehmen. 

In viele dieser alten Zeiten oder „primitiven“ Gesellschaften hatten/haben die Menschen auch eine  ganz andere Vorstellung von einer Lebensqualität und einem „Lebensstandart“, wie er heute in den westlichen Industrieländern definiert wird. Und das gilt auch für unseren Vorfahren so. Viele Völker und  (verloren gegangenen) Gesellschaften haben dem emotionalen und sexuellen Fühlen  einen sehr hohen Stellenwert eingeräumt. Auch im Europa vor der Hexenverfolgung. Viele dieser Gesellschaften waren/sind von einem ethischen Blickwinkel aus betrachtet, erstaunlich friedlich, erstaunlich human und scheinbar menschlich hoch entwickelt. Nicht alle. Aber doch einige. Die  Komplikationen zwischen den Geschlechtern in den Industriestaaten und die vielfältigen psychologischen Probleme stellen nicht der Normal-Standart innerhalb menschlicher Gesellschaften dar, sondern sind das exklusive typische Kennzeichen der Neuzeit und der Ausbreitung des Patriarchats.

Die Kultivierung der sexuellen Kraft und der menschlichen Liebe zur gegenseitigen Erbauung und Stärkung, wie es aus dem alten Indien, alten China, von matriarchalen Stämmen oder auch noch in Ansätzen aus dem europäischen Mittelalter  bekannt ist, ist als Volks-Mentalität innerhalb der kapitalistischen Gesellschaften verschwunden. Eine solche wäre ja auch glatt marktschädigend. Ein Gut das frei und leicht für jedermann verfügbar ist, wie z.B. die Liebe, ist schlecht für die kapitalistische Wirtschaft. Es liegt in der Natur dieses Wirtschaftsystems aus allen Lebensbereichen und besonders aus Notlagen Profite zu schlagen. 

Die herrschenden Eliten haben es in der frühen Neuzeit gelernt, dass eine solche vitale Energie, wie die der menschlichen Sexualität  zu Steuerungs- und Strukturzwecken genutzt werden kann. Durch die Zerstörung und die Irritierung der Liebesfähigkeit des Menschen und Verknappung derselben entsteht nicht nur ein neuer Markt: die Prostitution, die Sex -und Porno-Industrie, sondern es entstand auch eine ganz andere soziale und wirtschaftliche Dynamik in der neuen Massengesellschaft von hörigen Menschen. Der herrschenden Eliten lernten: „ Je mehr einer zur Entsagung, zum Verzicht selbst auf seine elementarsten Bedürfnisse bereit war, umso müheloser ließ er sich kommandieren.“ 

Doch das ängstliche Gehorchen hat seinen Preis mit dem wir heute alle leben: Emotionalen Komplikationen in den Liebesbeziehungen, in den Ehen und in den Familien sind heute ein alltägliches Massenphänomen in den Industriestaaten. Dazu kommt, dass der Mensch ohne die Möglichkeit zu wiederholter, sexueller und emotionaler Befriedigung und  Anerkennung  auf Dauer in Traurigkeit, Selbstzweifel und Depression stürzt. Er wird sauer, komisch und psychisch krank. Infolgedessen tendiert  der Mensch im kleinen sozialen Rahmen, wie auch in der großen Politik zu unbewusst ausagierten Irrationalitäten und materiellen Kompensationen. Diese materielle Kompensation des „ungelebten Lebens“ (K. Tucholsky) bezeichnen die tumben Wirtschaftswissenschaftler der Universitäten als „den Lebensstandart“ der westlichen Industrie-Nationen!

Die einfache Akzeptierung dieses materiellen, westlichen Lebensstandards als einen erstrebenswerten Soll-Zustandes- für Jedermann (in seiner Zuspitzung auch als „the american way of life“ genannt) ist zu einer Legitimation für die weltweite Ausplünderung und Ver-Konsumierung aller Ressourcen der Erde und der Kräfte der Menschen geworden. Bei Heroinsüchtigen würde man an dieser Stelle von „Beschaffungskriminalität“ sprechen. Für die krankhaften Bedürfnisse und Kompensationen der (noch) Geldhabenden Konsumenten in den Metropolen der 1. Welt und für die unendliche Gier nach immer größeren Gewinnmargen der großen transnationalen Multis und ihrer Vasallen in den Parlamenten finden die globalisierten Massen-Medien jedoch nur sehr schmeichelhafte Worte: „Fortschritt“, Entwicklung“, „die Wirtschaft floriert“,  „der Markt boomt“, „die Wirtschaft wächst“… 

Die Hexen-Verfolgung und die daraus resultierenden sozialen Prozesse haben zu einer Umstrukturierung des liebesfähigen Menschen zum Homo Normalis der Industriegesellschaft geführt.  Zudem hat sich diese emotionale Umstrukturierung als  ein sehr effektiver und kostensparender Kontroll- und Steuerungs-Mechanismus der Herrschenden herausgestellt. Autoritär erzogene und (unbewusst) ängstliche Menschen sind sehr viel leichter zu manipulieren. 

So ist unsere heutige Fühlweise ist nicht mehr natürlich, sondern die Folge eines langen blutigen Krampfes gegen die Geschlechtslust und gegen die Selbstbestimmung des Menschen im Allgemeinen und stellt den entsetzlichen individuelle Preis dar, den der moderne Mensch und seine Vorfahren in den letzten 500 Jahren für die Konstituierung der bürgerlichen, patriarchalen Industriegesellschaft zu bezahlen hatte. Mit unseren privaten Neurosen bezahlen wir für die Existenz des kapitalistischen Patriarchats als solches. Aber nicht nur das: unsere privaten Neurosen sind der beste Garant für die Perpetuierung (Konservierung und Erhaltung) dieses bürgerlichen Patriarchats, weil diese Lebensform immer wieder sekundäre Bedürfnisse (Gier, Neid) erschafft, die ausgeglichen  werden müssen. Für die es dann auch wieder einen Markt gibt…. 

Die folgsamen Menschen Massen, die liebesgeschädigten Neurotiker und Psychotiker sind alle  das  gewollte psycho-soziale Resultate eines mörderischen Krieges gegen die Geschlechtslust und Sexualkultur unserer Vorfahren. Ein Krieg unter dem zynischen Motto „Der Heiligung des Lebens“  an dessen Ende, Millionen von Frauen und dass Wissen über pflanzliche Verhütungsmittel „verloren“ gegangen waren.
Ein Krieg, der zu Beginn der Neuzeit von der römisch-katholischen Kirche in Europa geführt wurde, um in einer historischen Notlage die Zahl der Geburten zu steigern.

Man hat in einem 500 Jährigen blutigen Kampf, den Frauen den „biologischen Wunsch“ nach Kindern eingebläut, egal in welcher Situation sie lebt. Man hat die Genußsexualität auf die Fortpflanzungfunktion reduziert und alles andere (singen, tanzen, „unzüchtig sein“) zu einem  todesstrafwürdigen Delikt gemacht.

Und obwohl es in „unseren“ Geschichtsbüchern von Kriegen nur so wimmelt, werden wir in keinem Schulbuch über diesen entscheidenden Krieg um den Verstand und die Herzen der Menschen aufgeklärt. Ein Krieg der bis heute andauert und kultiviert wird, wenngleich die entscheidende  militärisch-terroristische Phase in der Hoch-Zeit der Hexenverfolgung (ca. 1450 bis 1650 ) lag. Und es war ein Krieg, dem eine Propaganda-Schlacht vorausging, die für die damalige Geschichte beispiellos war, aber für heutige Propaganda-Kampagnen beispielgebend ist.
Dieser Krieg der um die Kontrolle der Gebärtätigkeit der Frauen geführt wurde, führte nicht nur zur Entsolidarisierung zwischen Mann und Frau, nicht nur zum Verlust von medizinischer und hygienischen Kultur (z.B. pflanzliche Verhütungsmittel) und zur Erosion von Volkskultur im Allgemeinen, sondern führte auch in die Bevölkerungsexplosion. 

Nachdem es dann ein Zuviel an Kindern gab, wurde eine neue Form öffentliche Einmischung in das sexuelle Leben des Menschen installiert:: die Erziehung der Kinder ward geboren. Die Pädagogik und die Sexualpolitik wurde im Laufe der Hexenverfolgung zuerst von den Ordensbrüdern und Schergen der katholischen Kirche erfühlt, entwickelt und kultiviert. Die darauf folgende Installierung von Angst in unseren Seelen durch die „schwarze Pädagogik“, die Förderung und Etablierung von Dummheit und der Aufbau einer moralischen Instanz, einer Art „Gehirnpolizei“, waren große „zivilisatorische Errungenschaften“ der bürgerlich-früh-kapitalistischen Zeit am Ende der Hexenverfolgung.

Das  „Menschenmaterial“ (Gunnar Heinsohn) wurde im Laufe der Neuzeit an die technischen und ökonomischen Vorgaben des aufkeimenden bürgerlichen Kapitalismus angepasst. Es gab auch Widerstand dagegen, aber die privaten Neurosen einer Elite –der Herrschenden des Spätmittelalters- generalisierten sich, bereiteten sich als soziale Seuche aus und führten am Ende zur Anwendung von Stechuhren und Stechschritte. - Der moderne Mensch, der Homo Normalis  ist also nicht einfach so organisch, „evolutionär“ in die heutige Geschichte hineingewachsen, wie man sich das so normalerweise vorstellt, sondern er wurde einst über eine Periode von 500 Jahren herbeigemordet und herbeigezüchtet

Das ist deshalb wichtig zu verstehen, weil der moderne Mensch in den Industriegesellschaften  heute mehr denn je herausgefordert ist, entsprechend seines humanistischen Anspruchs, den er sich im 20 Jahrhundert zugelegt hat, auch zu handeln. Das mangelhaftes Bewusstsein und die deformierten emotionalen Grundstruktur des modernen Menschen, der sogenannte „subjektive Faktor“ wie man es zu 68 Zeiten analysiert hat, stellen heute eins der größten Hauptprobleme auf der Erde dar. Die Menschen in der 3. Welt versuchen bereits die tumben Bürger der 1. Welt  wachzurütteln. Es liegt im Moment an uns, den emotional unterentwickelten Menschen in den industriellen Metropolen, die Probleme die dieses kapitalistische patriarchale Wirtschaftssystem  global geschaffen hat, zu erkennen und zu handeln. Es leiden nicht nur die sensiblen Geister in den industriellen Metropolen, der ganze Planet leidet, die Völker leiden, die Natur leidet. 

Für die kurzfristige Gewinnmaximierung der wenigen trans-nationalen Konzerne haben wir, die modernen mediengedopten Weltentrottel mittlerweile dermaßen große Risiken in Kauf genommen (z.B. die langsame Zerstörung der Lebensgrundlagen für uns, andere Völker und andere Kreaturen), daß sich längst die Frage nach der geistigen Gesundheit des Homo Normalis gestellt hat. Zweifelsohne ist der normale Bürger in der heutigen Des-„Informations-Gesellschaft“ aber auch Manipulationen gigantischen Ausmaßes ausgesetzt, die historisch einmalig sind. Es herrscht ein Medien-Krieg um das Bewusstsein des Menschen und ein Verdummungs-Krieg gegen die Interessen der Menschen.

Individuelle Neurosen, gesellschaftliche Irrationalitäten und Perversionen aller Art haben längst  unseren modernen Alltag durchdrungen und werden heute systematisch von den Medien-Konzernen, der Verdummungs-Industrie hochgekitzelt und kultiviert. 

Es ist an der Zeit, dass wir die vielfältigen Verbindungen zwischen unserem kleinen (Liebes-)Leben und dem großen Kosmos, zwischen dem emotionalen und sexuellem Unglück oder Glück der Menschen und die Wirkung dessen auf die wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten in unserer Gesellschaft erkannt werden.

Man kann heute nicht mehr auf irgendwelche politische Parteien warten in der Hoffnung, dass sie dann zu einer Revolution aufrufen oder die Probleme für uns lösen. Wir alle sind selber gefragt. Jeder einzelne von uns. Wir sollten lieber uns selber und unsere Befindlichkeit und unsere Subjektivität ernst nehmen und  die Wechselwirkungen zwischen dem sog. „subjektiven Faktor“ (der Mensch mit seinem Gefühlsleben) und der politischen und wirtschaftlichen Realitäten besser kennenlernen, damit man sie erfolgreicher verändern kann. Das Arbeiten an unserem  Bewußtsein, das Heilen von Traumatas und psychischen Verletzungen in selbstverwalteten, unkommerziellen Kreisen ist eine sehr sinnvolle Arbeit und ein Gebot und kann nicht nur die Gräben zwischen den Geschlechtern verschmälern, sondern auch eine friedlichere Welt erschaffen. 

Es war mein Wunsch hierzu ein wenig beizutragen. 

Ottmar Lattorf im Dezember 2003

2. Der historische Rahmen

Will man die Gegenwart, wie sie sich heute darstellt, verstehen, dann kommt man als fragende und forschende  Person nicht  drum herum, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Selbst wenn man sich  mit einem Ereignis befasst, daß  schon Jahrhunderte zurück liegt, wie der Beginn der Hexen-Hebammen-Verfolgung, bleibt nichts anderes übrig, als sich mit den Zeiten und Epochen die davor lagen, zu befassen.

Ich habe aber leider festgestellt, daß diese Regel -selbst in den Institutionen, die sich normalerweise scheinbar professionell diesem Thema widmen- oft nicht angewendet wird. So gibt es eine offizielle professionelle Hexenforschung in den geschichtlichen Seminaren der Universitäten, die quasi offizielle Entstehungsgeschichten der Hexenverfolgung produzieren, die aber wesentliche Fragen zum Thema Hexenverfolgung nicht beantworten und kein plausibles Szenario der Hintergründe anbieten können.

Leider sind die Universitäten heute kein Hort der Objektivität mehr und an einen ernsthaften disziplinübergreifenden Diskurs scheint kaum jemand interessiert zu sein. Das bedeutet, daß man auch diese Institutionen, die Wissenschaften und ihre Methoden in einen historischen Rahmen einordnen muß. Denn die Universitäten und die Wissenschaftler/innen schweben nicht in einen luftleeren Raum, sondern sind in eine Realität verankert, die auf vielfältige Weise die objektive und neutrale  Forschungen subjektiv und parteiisch machen. Gerade die Geschichtswissenschaften, die Psychologie und die Wirtschaftswissenschaften, aber auch die Biologie und Informatik sind in ihren Ergebnissen von Moden, Ideologien, unreflektierten Methoden, fragwürdigen Grundannahmen und heute mehr denn je von Profitinteressen durchwoben, die insgesamt betrachtet der Wahrheitsfindung oft nicht dienlich sind. Es gilt auch in Wissenschaftskreisen: „Wess  Brot ich ess, dess‘ Lied ich sing.“

In den USA arbeiten bereits 70 % aller Akademiker für die größte und aktivste Zerstörungsmaschinerie der Erde, dem militärisch-industriellen Komplex und seinen Medien. Aber auch in Europa wird zunehmend nur noch das erforscht, was den großen Investoren in den Kram passt und Profite bringen kann. Viele brisante grundsätzliche Erkenntnisse fallen einfach unter den Tisch. So kommt es, daß viele  wissenschaftliche Nachrichten von elementarer Wichtigkeit nie das Ohr des Normalbürgers erreichen. Es gibt keine Zensur, aber auch der akademische Mainstream hat viele Filter.

Auch deshalb wird über vieles was „politisch nicht korrekt“ ist, nur in kleinen internen Zirkeln diskutiert... 

Für das Verständnis der Hexen-Hebammen-Verfolgung und für das Verständnis der Sexualfeindschaft werde ich mich im folgenden auf drei solcher menschheitsgeschichtlich, aber wissenschaftlich abgesicherten Sensationen stützen.

  1. In der Archäologie und in der Ur- und Frühgeschichte bahnt sich mittlerweile eine sog. Paradigmawechsel an, da neuere interdisziplinäre Forschungsergebnisse eine alte Meinung, nämlich die, daß es immer schon Krieg zwischen den Menschen gegeben haben soll, nicht bestätigt werden können. Die gebürtige Baltin und ehemalige Professorin für Europäische Archäologie Marija Gimbutas (gest.1998), die Philosophin und Historikerin Heide Göttner-Abendroth, der Geologe, Wilhelm Reich Spezialist und Klimaforscher James DeMeo und andere haben allerdings plausibel gezeigt, daß es eine lange, friedliche, kulturschaffende, („matriarchale“) Periode in der Geschichte der Menschheit gegeben hat. Der etablierte, akademische Mainstream hüllt sich in Schweigen, diffamiert den einen oder anderen Forscher, aber ohne das auf Argumente von  Abendroth, DeMeo oder Gimbutas und andere eingegangen wird. Da die Gesellschaften in dieser (vor-„patriarchalen“) Zeit, etwa 3500 bis 50.000 Jahre vor Christus, nach komplett anderen Ordnungsprinzipien strukturiert  gewesen waren, als wir das heute von unseren patriarchalen Gesellschaften kennen, bezeichnet H.G. Abendroth diese Zeit als „matriarchal“. Ebenso können Kulturen und Gesellschaften die heute noch existieren und die wir manchmal nur als sogenannten „primitive“ Stämme wahrnehmen, als „matriarchal“ bezeichnet werden. Der an der FHW in Berlin lehrende Wirtschaftswissenschaftler Bernd Senf spricht in diesem Zusammenhang von „liebevollen Kulturen“, eine Umschreibung die sich einem wesentlichen Zug der matriarchalen Gesellschaften  sehr nähert und verständlicher ist.

  2. Es hat auch zur Zeit der Hexenverfolgung (etwa von 1360 bis 1820) in Europa eine Veränderung, genau genommen eine Verschärfung der patriarchalen feudalen Gesellschaft zu einer patriarchalen, bürgerlichen und kapitalistischen Gesellschaft gegeben. Die feudale Zeit war in vielerlei Hinsicht weniger patriarchal und weniger „finster“ als das im allgemein angenommen wird, obwohl das Mittelalter auch sehr männerdominierend und patriarchal war und obwohl die unfreien Bauern und Leibeigenen die „Scholle“ nicht verlassen durften.

  3. Die Zeit der Hexenverfolgung ist nur eine wesentliche Etappe bei der Ausbreitung patriarchaler, sexualrepressiver und gewaltbereiter Gesellschaften. In diesem Sinne halte ich die Hexen-Hebammenverfolgung als eine historisch gesehen späte, aber für die Entwicklung des kapitalistischen Patriarchats entscheidende Etappe der Sexualunterdrückung. Diese patriarchale und kriegerische Zeit reicht allerdings nicht bis an die Uranfänge der Menschheit zurück.

  4. Die sozial-historische Bedeutung der von W. Reich als „emotionale Panzerung“ umschriebenen psycho-sozialem Krankheitszustand ist von der etablierten universitären Geschichts- und Sozialwissenschaften nie diskutiert worden. Obwohl es keinen ernsthaften Grund dafür gibt, die emotionalen Befindlichkeiten und die Geschlechterverhältnisse der Menschen als weitere wesentliche Kategorie in die Geschichts- und Sozialforschung des Menschen zu integrieren. Der therapeutische Praktiker und Sozialwissenschaftler W. Reich hat schon in den 30ger Jahren des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Veröffentlichungen (u.a. mit dem Buch die „Massenpsychologie des Faschismus“) darauf hingewiesen, wie es möglich sein kann, daß emotional/ sexuelle –Störungen des Menschen  nicht nur individuell nachteilhafte Konsequenzen haben können, sondern als massenhaft vorkommende soziale Seuche  den Boden für gesellschaftliche Irrationalität und Gewalt vorbereiten und schaffen kann. Auch heute, - 50 Jahre nach dem Tode Wilhelm Reich, -  widmet sich kaum jemand der individuellen Grundlage und der Entstehungsgeschichte gesellschaftlicher Irrationalität, obwohl sie in unseren zivilisierten Gesellschaften offensichtlich ist und uns in Politik und Wirtschaft tagtäglich begegnet.

  5. Das was uns heute als sexuelle und zwischenmenschliche emotionale Störungen bei Menschen daherkommt ist nicht einfach nur die notwendige und zwanglose Folge des christlichen abendländischen Glaubens, sondern vor allem das Resultat eines kirchlichen und staatlichen Mordens, das sich über Jahrhunderte erstreckte und vorzugsweise einheimische Frauen traf. Die Entstehung sexualfeindlicher, bürgerlicher und autoritärer (Kinder)-Erziehung ist selber die sanfte „fortschrittliche“ Fortsetzung des Scheiterhaufens und historisch betrachtet nicht der Beginn der Zerstörung der Liebesfähigkeit des „zivilisierten“ Menschen.

Im Folgenden werde ich versuchen drei zusammenhängende Sachverhalte zu schildern:

-Einblicke in das Sozialgefüge der mittelalterlichen Gesellschaft im Hinblick auf die Sexualökonomie des Menschen vor der Hexenverfolgung. 

- Einiges über die ökonomischen, sozialen und psychologischen Ursachen der Hexenverfolgung zu Beginn der Neuzeit. 

-Einiges über die Entwicklung und die Hintergründe des frauen- und sexualfeindlichen Wahns in der theoriebildenden Oberschicht der damaligen Gesellschaft. 

-Jede Menge wichtiger Details und Hinweise auf den ökonomischen, sozialen, moralischen, sexualökonomischen Prozeß, die erklären, wie und in welcher Zeit das Menschentier von seiner biologischen und liebevollen Natur entfremdet werden konnte.   Freiwillig ist das jedenfalls nicht geschehen! 

Es schien mir auch sinnvoll zu sein, davon auszugehen, dass es sich bei den feudalen und neuzeitlichen Patriarchate nicht um eine, im sozialen Sinne homogene Gesellschaft  gehandelt hat. Ich spreche also nicht von Klassen-neutralen Menschen, sondern gehe im Marx’schen Sinne in einem Fall von Angehörigen der parasitären Oberschicht und im anderen Falle von den Angehörigen der unterjochten, bäuerlichen Unterschicht aus. Diese Unterscheidung ermöglicht die getrennte  Untersuchung der unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereiche; denn was das Sozialverhalten, die moralischen Wertvorstellungen, das Selbstverständnis, die Bildung, das emotional-sexuelle Verhaltensmuster und die Art der Sozialisation der Menschen betrifft, unterschied sich die herrschende Oberschicht gewaltig von der jeweilig unterjochten und abhängigen Bevölkerung. Teilweise haben sich diese Verhaltensmuster auch gegenseitig beeinflusst. 

Die Ausbreitung des sexualrepressiven Patriarchats mit all seinen psycho-sexuellen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Nachteilen ist heute in Zeiten der Globalisierung keineswegs ein abgeschlossener  historischer Akt. Es handelt sich bis heute um einen anhaltenden  dynamischen  Prozeß, der lediglich andere Formen und andere Dimensionen hat als vor 250 Jahren oder zu Beginn der Neuzeit oder vor der Antike.

Ich erinnere, an die Auswirkungen der globalen Klimaveränderung, an das globale Artensterben, an die sich ausbreitenden Wüsten, die Regenwaldzerstörung, die zunehmenden Vergiftungen unserer Lebensräume  und an die  zunehmende  Verelendung der Menschen in den Metropolen und in der sogenannten 3. Welt, an die  Verrohung der politischen Sitten insbesondere durch die USA, unter der Knute der Großbanken und der trans-nationalen Konzerne....... 

Die folgenden Schwerpunkte sind zusätzlich in der PDF-Datei (363k) zu finden:

  • Über das Hexenwesen im Mittelalter oder von den sexual-freundlichen Überbleibseln archaischer Lebensgewohnheiten europäischer Stämme

  • Mittelalterliche vorbeugende Gesundheitspflege

  • Über das Treiben im Badehaus und andere "unzüchtige" Sitten des gemeinen Volkes

  • Im Bett

  • Empfängnisverhütungsmittel  und Selbstständigkeit  der Frauen im  ausgehenden Mittelalter

  • Über die Zeit, in der die katholische Kirche nur formal sexualfeindlich gesinnt war

  • Die Pest und ihre sozialen Folgen

  • Der mörderische Charakter der katholischen Kirche vor der Hexenverfolgung

  • Die katholischen Gelehrten

  • Wie die ökonomischen Interessen der Kirche, den individual -ökonomischen Interessen der Frauen widersprechen

  • Wie die Hexenjäger ihre Phantasien als wissenschaftliche Erkenntnisse ausgeben

  • Über den Ursprung des Namens „Hexe“

  • Der Hexenhammer. Von der Sexualpolitik im Dienst ökonomischer Interessen der herrschenden Eliten

  • Wer ist  der Teufel ?

  • Warum breitet sich der sexualfeindliche Hexenhammer so stark aus ?


 

Home  | 

<<<<<


Version: 15.01.04 11:25:34